08/21/25

Peter Welchering: ARD & ZDF-Radikalreform-Bedarf – GEZ 5 Euro!

Thomas Barth

Den Freunden des Internet ist Peter Welchering ein Begriff, als Netzmedien-Fachredakteur begleitete er die Entwicklung des Internet und brachte es bis zum zum Presserat. Der altgediente SWR und DLF-Redakteur ist die kompetente Stimme der wöchentlichen Samstags-Sendung „Computer und Kommunikation“, war häufig auf Jahreskongressen des Chaos Computer Clubs vor Ort und berichtet seit Jahrzehnten gut informiert und unvoreingenommen. Er landete vor drei Tagen mit fundamentaler Kritik an den ÖRR (Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten) einen Paukenschlag in der Berliner Zeitung: Die ÖRR-Chefetagen streichen Luxusgehälter sowie üppige Pensionen ein und lassen immer weniger Geld übrig für die Programm-Produktion. Der ÖRR sei, so Welchering, ohne Radikalreform nicht überlebensfähig -und er liefert konkrete Lösungsvorschläge für die Rundfunkpolitik.

„Ich habe das mit einigen Rundfunkpolitikern diskutiert. Die zeigten sich dann jedes Mal erstaunt, weil ihnen die Hierarchen von ARD und ZDF doch immer anderes erzählen. Aber so richtig anpacken wollten sie das Problem der tickenden Zeitbombe namens ÖRR dann auch nicht. Sie fürchten, dass sie dann im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr vorkämen oder sogar publizistisch fertiggemacht würden, wenn sie sich solche medienpolitischen Vorschläge öffentlich zu eigen machen würden. Man muss es sagen, wie es ist: Dort geht die Angst um.“ (Welchering, Berliner Zeitung 18.8.2025)

ÖRR: Immer schlechteres Programm, immer einseitiger in der Berichterstattung

Die ÖRR liefern, so Peter Welchering, immer schlechteres Programm. Sie werden immer einseitiger in der Berichterstattung und senden immer öfter schlecht oder gar nicht recherchiertes Material sowie sogar falsche Tatsachenbehauptungen (womit sie im Medien-Mainstream allerdings nicht allein dastehen, wie der Relotius-Skandal belegt). Und die ÖRR benötigen immer mehr Geld für ihre immer lausigeren Leistungen -kein Wunder, dass einem hart arbeitenden Fachredakteur da der Kragen platzte.

Vor allen Dingen müssen nach Ansicht von Welchering die Kosten für das fest angestellte Personal deutlich herunter, die würden allein beim SWR (Südwestrundfunk), wo der ÖRR-Journalist sich gut auskennt, gut 400 Mio. Euro verschlingen. Die Bezüge lägen dabei erheblich über den im öffentlichen Dienst gültigen Tarifen. Dazu tobt sich dort die Bürokratie bis ins Absurde aus: Bei vielen geschaffenen Planstellen erinnerten sich, so der Kritiker, „nicht einmal mehr die ebenfalls sehr hoch dotierten Hauptabteilungsleiter daran, weshalb die eigentlich mal eingerichtet wurden und was dort gearbeitet“ würde. Ob sich dort quasi-feudale Clanstrukturen, von den ÖRR gerne im Migrantenmilieu angeprangert, bei Stellenbesetzungen durchgesetzt haben, diskutiert Welchering zwar nicht. Aber den unverschämten Griff der Führungsetagen in die öffentlichen Kassen, die unser GEZ-Zwangsobulus immer praller auffüllen soll, dokumentiert der Kritiker akribisch:

„Wenn wir uns mal vor Augen führen, dass der SWR allein fast 2,5 Milliarden Euro Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen (Stand 31.12.2024) gebildet hat, die Spitzengehälter der Senderchefs im Jahr 2024 mehr als 4,5 Mio. Euro und die Gesamtaufwendungen für Löhne und Gehälter gute 400 Mio. betragen, kommen wir allein hier auf erkleckliche Einsparmöglichkeiten. Der Intendant Kai Gniffke erhält laut Südkurier 403.146 Euro im Jahr, Clemens Bratzler, Programmdirektor Information, 246.898 Euro. Die Programmdirektorin Anke Mai bringt es auf satte 242.158 Euro. Macht allein für die Programmdirektion eine knappe halbe Million. Und die Programmdirektoren werden noch komplettiert durch zwei Landessendedirektorinnen. Stefanie Schneider, für das SWR-Programm in Baden-Württemberg zuständig, ging 2024 mit 286.461 im Jahr nach Hause, ihr rheinland-pfälzisches Gegenstück Ulla Fiebig mit 252.780 Euro. (…) Und das kostet die Chefetage nur einer regionalen ARD-Anstalt. Insgesamt gibt es neun davon. Aus dem Rundfunkbeitrag finanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten zählen wir elf in Deutschland.“ (Welchering, Berliner Zeitung 18.8.2025)

GEZ 5 Euro pro Monat möglich

Das gehe preisgünstiger, analysiert Peter Welchering, und zwar durch eine radikale Zentralisierung der föderal zersplitterten Senderlandschaft vor allem der ARD: Wenn man bundesweit von einem nationalen Fernsehprogramm ausginge. Dieses sollte Regionalfenster in die Bundesländer eröffnen, sowie ein Informationsradio senden, einen Kulturkanal und einen Jugend-Kanal. Alles sollte auch mittels einer einzigen sendereigenen sozialen Plattformen namens Mediathek distribuiert werden. So käme man laut Welchering für Programmaufwand und Verwaltung auf deutlich weniger als eine Milliarde Euro jährlichen Finanzbedarf. Seine sensationelle Folgerung: Die Absenkung des Rundfunkbeitrages je nach Beitragsmodellen auf fünf oder weniger Euro pro Monat sei dann kein Problem.

„ARD und ZDF sind ein Fass ohne Boden geworden. Mehr als 1,5 Milliarden Euro hatte der Sender aus Rundfunkbeiträgen eingenommen. In Ziffern: 1.550.741.130,20 Euro. Eine stolze Summe – zumal für einen Regionalsender. Aber das Geld reichte nicht. Der SWR schloss das Jahr 2024 mit einem Fehlbetrag von gut 33 Millionen Euro ab. In Ziffern: 33.329.215,33 Euro. Die Senderchefs feierten sich trotzdem. Hans-Albert Stechl, der mächtige Vorsitzende des Verwaltungsrats und somit eigentlich Herr der Finanzen, wollte das Ergebnis denn auch schönreden.“ (Welchering, Berliner Zeitung 18.8.2025)

Schon vor einigen Jahren hatte Peter Welchering für das Intendantengehalt die Stufe B3 bis höchstens B6 vorgeschlagen, üppige Saläre, wie sie Oberbürgermeister größerer Städte oder ein Brigadegeneral der Bundeswehr bekommen. Und viele Geschäftsprozesse des ÖRR könnten massiv verschlankt sowie die Versorgung altgedienter Parteisoldaten anderen Institutionen überlassen werden, so Welchering. „Legionen von Mitarbeitern“ seien damit beschäftigt, Power-Point-Folien zu produzieren, nur damit die sich dann die überbezahlten Senderchefs untereinander zeigen. Warum? Laut Welcherings stellenweise auch etwas süffisanter Analyse allein, um damit ihren Arbeitstag „mehr oder weniger strukturiert verbringen“ zu dürfen.

Aber was geschieht mit den Milliarden für Pensionen und Ruhegehälter, die längst zugesagt sind? Welchering schlägt in seinem Artikel mit der bezeichnenden, nur leicht polemischen Überschrift „ARD und ZDF: In Zukunft nur noch Pensionsanstalten mit angeschlossenem Sendebetrieb?“ dafür eine „Bad Bank“ vor, so Telepolis. In sie sollen alle Immobilien, Finanzanlagen und Rückstellungen überführt werden. Diese Bad Bank bedient weiterhin die Pensionsansprüche, während die neue Anstalt unbelastet neu starten könnte. Rein finanztechnisch, so Welchering, sei das machbar -aber auch rundfunkpolitisch? Eher nicht. Die ÖRR werden diesen für sie hochnotpeinlichen Reformvorschlag verbissen totschweigen -in gewohnter Lückenpresse-Manier. Der Begriff „Lückenpresse“ stammt von Professor Ulrich Teusch, einer der raren Medienkritiker in unserer akademischen Welt, und wird bei Wikipedia tendenziös auf den Begriff „Lügenpresse“ weitergeleitet. Teusch kam unter dem Topos Lückenpresse zu dem Schluss, bei manipulativer Nachrichtengestaltung werde gezielt gewichtet, unterdrückt und bewertet; eine wichtige Erkenntnis, die Wikipedia tief unten auf der Personen-Site von Teusch versteckt und damit selbst ein Beispiel für genau diese Manipulationstechnik liefert (deren breite Anwendung maßgeblich zu den von Welchering monierten Qualitätsverlusten der ÖRR beitragen dürfte).

Hoffen wir, dass die ÖRR einen ihrer fähigsten Redakteure nicht für seinen kreativen kritischen Geist abstrafen und seine Sendezeiten reduzieren oder ein Blacklisting verhängen. Welchering steht freilich ohnehin kurz vor der Rente, sein ökonomischer Schaden wäre in diesem Fall wenigstens überschaubar.

02/18/19

Das ARD-Framing-Gutachten

aus Netzpolitik.org

Wir veröffentlichen das Framing-Gutachten der ARD

Die ARD hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die eigene Kommunikation zu verbessern. Das Gutachten wurde bisher nicht veröffentlicht, ist aber bereits Teil einer öffentlichen Debatte. Wir veröffentlichen das Gutachten, damit sich alle Beitragszahlende aus der Originalquelle informieren können und an der Debatte informierter teilhaben können.

17.02.2019 Markus Beckedahl, Leonhard Dobusch

Die ARD hat bei der Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling ein Gutachten in Auftrag gegeben um sich beraten zu lassen, wie man die Vorzüge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Erkenntnisse der Framing-Theorie kommunizieren kann. Das Gutachten dient laut ARD als „Denkanstoß und Diskussionsgrundlage“ für interne Zwecke. (Update: Es gibt nun eine weitere Stellungnahme der ARD dazu.)

Allerdings wurde es schnell Bestandteil einer öffentlichen Debatte, weil das Gutachten mittlerweile außerhalb der ARD zirkuliert. Und gerade rechte Webseiten machen mit dem ausgewählten Zitieren aus dem Text massiv Stimmung gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und tun dabei so, als wäre diese Diskussionsgrundlage bereits beschlossene Sache einer Kommunikationsstrategie mit dem Ziel, die öffentliche Wahrnehmung zu „manipulieren“. Im Interview mit meedia.de argumentiert die ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab, dass dies keine „Mitarbeiteranweisung“ sei, sondern eine Diskussionsgrundlage zur Sensibilisierung bei der Verwendung von Sprache und Sprachbildern. In dem Interview distanziert sie sich auch persönlich von einzelnen in dem Gutachten vorgeschlagenen Sprachbildern wie „Profitzensur“.

Zensurheberrecht nährt Manipulationsängste

Die ARD-Pressestelle begründet eine Nicht-Veröffentlichung damit, dass man es „aus urheberrechtlichen Gründen“ nicht veröffentlichen könne. Man kann von der ARD und dem öffentlich-rechtlichen System halten was man will. Aber gerade mit diese Vorgehensweise und dem Anschein von Intransparenz erweist die Anstalt der Debatte um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen Bärendienst, denn sie spielt damit den rechten Narrativen in die Hände, dass man es geheim halten wolle und etwas zu verbergen hätte.

Für eine öffentliche Debatte ist es aber wichtig, dass sich alle Interessierten aus der Diskussionsgrundlage informieren können. Das Gutachten wurde aus öffentlichen Geldern finanziert und sollte selbstverständlich auch nach dem Grundsatz „Öffentliches Geld, öffentliches Gut“ („Public money, public good“) allen Beitragszahlenden verfügbar sein. Damit sich mehr Menschen aus der Originalquelle informieren und an der Diskussion teilnehmen können.

Man kann nicht nicht framen

Wir veröffentlichen deshalb das Gutachten in einer PDF-Version. Von der Verfasserin des Gutachtens, Elisabeth Wehling, ist im vergangen Jahr das Buch „Politisches Framing – Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht“ im Ullstein Buchverlag erschienen. Vor zwei Jahren sprach sie auf der re:publica über „Die Macht der Sprachbilder – Politisches Framing und neurokognitive Kampagnenführung“.

Gerade wenn man sich aus der Originalquelle informieren kann, sieht man, dass die Dämonisierung nicht gerechtfertigt ist. Denn wenn es eine Einsicht des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick gibt, die sich quasi universeller Bekanntheit erfreut, dann dass wir nicht nicht kommunizieren können. Diese Binsenweisheit gilt sinngemäß nicht nur für Kommunikation an sich, sondern auch für (Teil-)Aspekte verschiedener Arten von Kommunikation wie eben Framing. So ist zum Beispiel mit jeder Wortwahl in einem Text immer auch ein bestimmtes Framing verbunden, das beim Lesenden bestimmte Assoziationen oder Gefühle auslösen kann. Egal ob „Staatsfunk“, „öffentlich-rechtlicher Sender“ oder „gemeinsamer, freier Rundfunk ARD“ wie im Gutachten von Elisabeth Wehling, jeder Begriff löst andere Assoziationen aus, steht für ein anderes Framing.

Wenn es aber keine Kommunikation ohne Framing gibt, kann es durchaus sinnvoll sein, dominante Frames in der eigenen Kommunikation zu reflektieren. Sich dabei professionelle Unterstützung zu holen, ist ebenfalls nicht abwegig. Fragwürdig ist hingegen schon eher, wie sehr die ARD die Interpretation – das Framing – dieses Reflexionsprozesses anderen überlässt, indem sie entsprechende Dokumente zurückhält. Genau das stützt nämlich das Framing des Gutachtens als „Manipulation“, was rechte Gegner öffentlich-rechtlicher Medien genüsslich befeuern.

Update:

Elisabeth Wehling hat auf ihrer Webseite eine „Klarstellung zur aktuellen Debatte“ veröffentlicht.

Die vorgegebenen Themen und Einordnungen zu Auftrag und Bedeutung der öffentlich-rechtlichen ARD wurden in Workshops (bei meiner Anwesenheit) diskutiert und im finalen Dokument auch entsprechend abgebildet. Darum finden sich auch Begrifflichkeiten darin, die keineswegs als Empfehlung anzusehen sind. Das Ergebnis dieser Workshops wurde zusammenfasst und ergänzt, sowie auf Inkohärenzen hingewiesen. Das Dokument wurde als interne Arbeits- und Diskussionsunterlage verfasst, um damit eine breite Grundlage an Optionen zu haben, was davon für eine etwaig daraus abzuleitende Kommunikationsmaßnahmen genutzt werden soll, und was jedenfalls nicht.

Das Gutachten ist jetzt bereits zwei Jahre alt. Viele vorgeschlagene Frames, die aktuell die Köpfe vieler Kritiker erhitzen, sind aber noch nie von ÖRR-Vertretern in der Öffentlichkeit verwendet worden. Auch das zeigt, dass die Errregung über das Gutachten überdreht ist.

Währenddessen zeigt die Bild-Zeitung, dass Framing gerne gegen den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (Gerne als negativer Frame verwendet, trotzdem falsch: „Staatsfunk“) angewendet wird: „GEHEIMPAPIER: So will die ARD uns umerziehen“. Selbstverständlich ohne Link auf die Originalquelle bei uns, die könnte die Bild-Leser ja verwirren. Interessant ist die Wortwahl: „Gemeint ist das geschickte Nutzen bestimmter Wörter und Sprachbilder, um unsere Meinung zu beeinflussen. Ein Mittel aus Politik und Werbung. Kritiker nennen das Gehirnwäsche.“ Das würde die Bild-Zeitung natürlich nie machen.

Aus netzpolitik.org

Ergänzung von Netzphilosophie: Die Kosten für das Erstellen des Manuals und begleitende Workshops beliefen sich nach Angaben der ARD auf 90.000 €. Für Folge-Workshops, bei denen Wehling Mitarbeitern der ARD die Inhalte nahe gebracht hatte, wurden weitere 30.000 € gezahlt. Der Auftrag für das Manual wurde 2017 von der vom MDR gestellten Geschäftsführung der ARD erteilt (Wikipedia).

Über die Autor:innen

markus

Markus Beckedahl hat schon 2003 in der Ur-Form von netzpolitik.org gebloggt und hat zwischen 2004 bis 2022 die Plattform als Chefredakteur entwickelt. Seit 2024 ist er nicht mehr Teil der Redaktion und schreibt einen Newsletter auf digitalpolitik.de. Kontakt: Mail: markus (ett) netzpolitik.org, Presseanfragen: +49-177-7503541 Er ist auch auf Mastodon, Facebook, Twitter und Instagram zu finden.

leonido

Leonhard Dobusch, Betriebswirt und Jurist, forscht als Universitätsprofessor für Organisation an der Universität Innsbruck u.a. zum Management digitaler Gemeinschaften und Offenheit als Organisationsprinzip. Er ist als @leonido im Fediverse unterwegs und bloggt privat als Leonido sowie gemeinsam mit anderen bei governance across borders bzw. am OS ConJunction Blog und ist Mitgründer und wissenschaftlicher Leiter des Momentum Instituts sowie der Momentum-Kongressreihe. Mail: leonhard@netzpolitik.org