01/8/19

Bio-Cyperpunk: Peter Watts‘ Mahlstrom

Peter Watts: Mahlstrom, München 2009, W. Heyne, 511 S., 9,99 Euro. (or. Maelstrom)

Der Cyberspace heißt „Mahlstrom“ und ist bevölkert von digitalen Lebensformen. Nur privilegierten Firmen ist noch zuverlässige Datenverarbeitung möglich -in einer mühsam mit Firewalls verteidigten „Zuflucht“. Teil 2 der Rifters-Trilogie

Rezension von Thomas Barth

Zeit: Irgendwann im nächsten Jahrhundert. Ort: Pazifik, Nordamerika. Autor: Peter Watts, Kanadier aus Toronto, arbeitete angeblich lange als „Unterwasserbiologe“. Ärgerlich: Der Klappentext plaudert ein Geheimnis aus, das der Leser eigentlich auf den ersten 130 Seiten langsam lüften sollte: „Eines Tages wird in den Tiefen der Meere eine prähistorische Lebensform entdeckt, die eine tödliche Bedrohung für das Leben auf der Erde bedeutet. Kurzerhand wird ein Nuklearschlag durchgeführt, der das Virus für immer vernichten soll –ohne die im Tiefseelabor tätigen Wissenschaftler vorzuwarnen. Doch eine der Forscherinnen überlebt die Explosion. Sie trägt das Virus in sich. Und sie will Rache…“

Der Anfang kommt deshalb etwas langweilig rüber, doch erfreulicherweise wartet Peter Watts mit genug neuen Wendungen auf, um seinem Roman immer wieder neuen Drive zu geben –die Handlungsstränge sprießen aus dem Text wie Tentakeln einer Seeanemone. Und zum Glück hat der Klappentextschreiber einiges nicht ganz verstanden, z.B. handelt es sich nicht um ein Virus…

Freunde der schaurigen Anti-Utopie kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten, insbesondere Hypochonder, denn Seuchen aller Art plagen den künftigen Planeten; die Nationalstaaten sind belanglos geworden, Quarantänegrenzen durchziehen Land und Megacities. Die Quebecer wird’s freuen: Nach Wasser- und Energiekriegen hat Französisch das Englische als dominante Weltsprache abgelöst, doch Computer-Simultanübersetzung erübrigt Sprachkenntnisse ohnehin. Cyberpunk-like rüsten sich die Menschen mit Bioimplantaten auf, besonders die Rifters, Tiefsee-Cyborgs wie die rachsüchtige Lenie Clark. Umweltflüchtlinge sperrt man in Massen-KZs an der Küste, der Erzähler schlüpft in die Haut einer KZ-Wächterin –künftig ein Heimarbeitsplatz zur Steuerung von „Mechfliegen“–, eines Partygirls, die dem totalitären Regime frech die Stirn bietet, dann kommt aber eine evolvierende KI-Einheit ins Spiel (Neuromancer als kybernetischer Entwicklungsroman).

Am Tag, nachdem Patricia Rowan die Welt gerettet hatte, kam ein Mann namens Elias Murphy zu ihr, um ihr erneut ein schlechtes Gewissen zu machen. Eigentlich war das gar nicht nötig. Die taktische Anzeige ihrer Kontaktlinsen konfrontierte sie ohnehin schon unablässig mit einer Flut von Tod und Zerstörung, mit Zahlen, die viel zu ungenau waren, um als Schätzwerte durchzugehen. Es waren erst sechzehn Stunden vergangen, und selbst die Hochrechnungen waren nichts als Mutmaßungen. Dennoch versuchten die Maschinen unbeirrt, das Geschehen in Zahlen zu fassen: so und so viele Millionen Menschenleben, so und so viele Billionen Dollar. Als ließe sich die Apokalypse irgendwie dadurch abwenden, dass man sie bezifferte.“ P.Wattson, Mahlstrom

Weitere Hauptfigur ist ein mächtiger „Gesetzesbrecher“, ein hirntechnisch manipulierter Bürokrat mit der Befugnis Quarantänegrenzen zu ziehen und Dekontaminationen einzuleiten, bis hin zu Massenverbrennungen mit Mann und Maus: „Als Achilles Desjardinds die Bühne betreten hatte, war Cyberspace ein von Wehmut erfülltes Fantasiewort gewesen, ähnlich wie Hobbit oder Biodiversität.“

Der Datenraum heißt nun „Mahlstrom“ und ist bevölkert von digitalen Lebensformen, die privilegierten Firmen nur in einer mühsam mit Firewalls verteidigten „Zuflucht“ zuverlässige Datenverarbeitung ermöglichen. Nicht mal in seinen Cybersexfantasien ist Desjardins sicher vor Eindringlingen. Dank der ihm eingepflanzten Handlungsblockade, genannt „das Schuldgefühl“, ist Achilles zudem unfähig unmoralisch zu handeln, also gegen die Interessen seiner Arbeitgeber: Private Multis, Industriemafia und Konsorten beherrschen die Welt. Der fulminante Roman liefert nebenher Einblicke in die perverse Gedankenwelt einer biologistischen Philosophie des Freiheit-oder-Determinismus-Problems.

12/28/18

Utopie: Madam Datam

Dem Tag entgegen, Frankfurt, Suhrkamp Verlag 1984.

Rezension von Thomas Barth

Eine Sozialutopie über eine total von einem Zentralcomputer gesteuerte Gesellschaft, die das Gegenteil von Orwells totalitären Alpträumen aus „1984“ ist: Die soziale und psychologische Imaginationskraft von Madsen ist beeindruckend, die vorweg genommene postmoderne Auflösung des Subjekts wird hier mit der marxistischen Utopie „heute Schmied, morgen Fischer, übermorgen Philosoph“ verbunden.

Svend Age Madsen, Prosaist und Dramatiker, ist einer der experimentierfreudigsten Modernisten der dänischen Literatur. 1972 verlieh die dänische Akademie ihm für den Roman “Seat Verden er til” (Nehmen wir an, die Welt existiert) den wichtigsten dänischen Literaturpreis. In “Dem Tag entgegen” entwirft er ein scheinbar utopisches Paradies; Ungleichheit, Verbrechen, Krieg, Sinnlosigkeit und Langeweile sind abgeschafft. Die postmoderne Auflösung des Subjekts ist Realität, denn es existiert keine persönliche Biografie mehr. Jeder Mensch bekommt täglich eine neue soziale Rolle zugewiesen: ein neues Haus, eine neue Familie, Listen mit neuen Freunden, einer neuen Arbeit – alles liegt bereit, wenn er morgens aus der Betäubung seiner abendlichen Schlafpille erwacht. Die Verteilung der Schlafenden übernimmt ein “Austauschsystem” aus über Schienen fahrenden Betten, dessen Zentrum eine EDV-Anlage namens Madam Datam bildet (andere technische Errungenschaften kennt die Utopie nicht, man fährt Fahrrad und Elektroauto).

Auf Gerechtigkeit programmiert, teilt Madam Datam jedem luxuriöse Wohnstätten, Elektroautos, unbeliebte Arbeiten, problematische Freunde und Eltern, attraktive Ehepartner usw. in einem ausgewogenen Wechsel zu. Die Menschen verfügen über die Fähigkeit, ihre jeweils neuen Gegenüber blitzschnell “in sich aufzunehmen”, was ein empathisches Verständnis und eine Anpassung an die immer überraschende soziale Situation beinhaltet. Alle gehorchen aus Einsicht den ungeschriebenen Regeln oder gelten als krank, als “verschlossene Persönlichkeiten”, was aber nur selten vorkommt und einen “Hilfsdienst” auf den Plan ruft. Ein wichtiges Tabu ist die Wiederholung: mehrmals dieselben Freunde zu haben, die gleiche Arbeit zu leisten gilt als langweilig, zweimal neben demselben Ehepartner zu erwachen als obszön.

Der Ich-Erzähler Elef (was bei den Wikingern “Immer allein” hieß) beginnt ein Tagebuch zu führen und durchbricht damit die Regel, sich immer nur dem Neuen zuzuwenden. Er durchläuft eine Reihe von Arbeiten als Lehrer, Austauschsystem-Techniker, Stadtrat, Journalist und Programmierer, sowie eine Reihe von Ehefrauen, die mal schwierig, mal wollüstig oder praktisch sind, auch mit jeweils anderen Kindern. Als er den Wunsch auf Wiederholung seiner Ehe zu einer dem System ebenfalls kritisch gegenüberstehenden Frau verspürt, manipuliert er Madam Datam. Er und Maya (deren Name später als Anspielung auf den hinduistischen Bhagavadgita-Begriff “unwirkliche Wirklichkeit, Macht der Täuschung” offenbart wird) treffen sich erneut und flüchten aus dem System der täglichen Neugeburt. Dabei muß Elef einen übereifrigen Helfer aus dem Freundeskreis mit Gewalt hindern, den Hilfsdienst zu mobilisieren. Wie in antiquierten Filmen beobachtet, führt er halbkreisförmig eine Kaffeetasse gegen dessen Kopf; – mehrfach ohne Erfolg, bis er auf die Idee kommt, dabei Kraft anzuwenden und ihn bewußtlos schlägt: eine Gewalttat, die noch wochenlang die Gemüter bewegt. Zunächst werden Maya und Elef steckbrieflich gesucht. Über eine Heilanstalt für Austauschunfähige, wo sie vergeblich nach Verbündeten suchen, kommen sie in eine Einsiedlerklause zur Greisin Varinka. Genannt die “Unsterbliche”, stammt sie noch aus alten Zeiten und erklärt den Flüchtlingen, wie die “große Depression” mit epidemischen Selbstmorden einst die modernen Gesellschaften zur Einführung des Austauschsystems zwang. Doch Maya und Elef wollen sich nicht trennen lassen. Sie versuchen eine Teilintegration, verzweifeln aber an den Beziehungen zu jeweils neuen Freunden und Nachbarn. Nach einigen gescheiterten Freundschaften versuchen sie einen Suicid. Knapp gerettet nehmen sie den Platz in der Klause der sterbenden Varinka ein und finden eine sinnvolle Lebensaufgabe im Schreiben eines Romans über die unverständlichen Menschen der alten Zeit. In vielen friedlichen Jahren ergraut, belehren sie schließlich junge Austauschmenschen über die seltsamen starren Charaktere der alten Zeit.

Dem Tag entgegen (Se dagens lys, Gyldendal Publishers, Copenhagen 1980), Frankfurt, Suhrkamp Verlag 1984, Phantastische Bibliothek Bd. 128, st 1020. Ort: Dänemark. Zeit: Spätes 21. Jh. Art: Utopischer Roman, Sozialutopie. Autor: Madsen, Svend Age, geb. 1939 in Arhus, Dänemark. Thomas Barth, Rezension Nr. 3 für „Romanführer“, Hamburg, August 1995.

09/22/17

Teppich-Starwars

Eschenbach, Andreas, Die Haarteppichknüpfer, Erstveröffentlichung im Franz Schneekluth Verlag 1995, München.

SF-Rezension von Thomas Barth

Ort: Yahannochia, mittelalterliche Stadt in der fiktiven vergessenen Galaxis Gheera; Kaiserpalast, weit entfernt; Zeit: 80.000 Jahre nach dem Krieg des Kaiserreiches gegen die Gheera-Galaxis, ca. 30 Jahre nach dem Untergang des Kaiserreiches. Art: Utopischer Roman.

Andreas Eschenbach führt in seinem ersten Roman eine technologisch fortgeschrittene, sozial jedoch regressive Utopie vor, die einen komplex geschliffenen Plot in eine satirische Pointe führt. Ostvan ist Haarteppichknüpfer in Yahannochia, ein angesehener polygamer Berufsstand, der aus den Haaren seiner Frauen unglaublich komplizierte und kunstvolle Teppiche knüpft. Das Leben eines Knüpfers genügt gerade für einen einzigen Teppich, dessen Verkauf den Erlös für das Leben der nächsten Generation sichern muß, d.h. für die Familie des einzigen Sohnes (alle weiteren werden getötet). Ostvans Sohn jedoch will kein Haarteppichknüpfer werden. Gerüchte vom Tod des fernen unsterblichen Kaisers, für dessen Palast auf einem legendären Planeten die Teppiche angeblich bestimmt sind, haben ihn erreicht. Die strenge religiöse Verehrung des Kaisers macht ihn damit zum Ketzer, und Ostvan erschlägt ihn, als ihm ein neuer Sohn geboren wird. Parnag, Lehrer von Ostvans Sohn, hat ebenfalls von diesen Gerüchten gehört, nimmt jedoch nach dem Tod seines Schülers Abstand von seiner Häresie, bis er von der Landung des Fremden Nillian hört, der sich als Rebell bezeichnet. Nillian gehört zur Rebellenarmee, die den gottähnlichen Kaiser stürzte und nun versucht, die Kunde von ihrem Erfolg im gigantischen Reich zu verkünden, so auch auf Ostvans Planeten in der lange vergessenen Gherra-Galaxis. Parnag wird jedoch von den Anhängern der Tradition gesteinigt, Nillian gefangen genommen und zur Hauptstadt geschickt, wo regelmäßig Raumschiffe des Kaisers die Teppiche abtransportieren.

Nillians Raumschiff untersteht dem Rat der Rebellen, die nun auf dem Zentralplaneten im Kaiserpalast herrschen. Dort ist man verwirrt über die Entdeckung einer ganzen Galaxis von Haarteppichknüpfern, die gewaltige Mengen dieser Kunstwerke herstellen, deren Funktion und Verbleib ungeklärt ist. Auch die schöne blonde Lamita, Historikerin der Rebellen im ehemals kaiserlichen Archiv, kann keine Antwort geben, zu verwirrend umfangreich ist das kubikkilometergroße Museum. Ihr Hausmeister, der bucklige Emparak, früher erster Archivar des Kaisers, könnte ihr helfen, doch ist er noch immer Royalist und wird auch nicht recht ernst genommen. So muß Jubad, der Führer der Rebellen, der einst den Kaiser tötete ohne Erklärung wieder an seine Regierungsaufgaben gehen. Jubad erinnert sich gut an den unsterblichen Kaiser Aleksandr, der ihn gefangen nahm, ihm seine Identität als Denksalar, legendärer Gründer der Rebellenbewegung, offenbarte und ihm die eigene Ermordung als Auftrag gab, er sei der Macht überdrüssig und wolle den Menschen die Freiheit zurückgeben. Lamita jedoch verliebt sich in Emparak, dieser wird zum Rebellentum bekehrt und löst das Rätsel: 80.000 Jahre zuvor hatte der Herrscher der Gherra-Galaxis den Vater von Aleksandr nach seiner Unterwerfung durch dessen Armee mit der kaiserlichen Kahlköpfigkeit verspottet. Dieser hatte rachsüchtig bestimmt, daß die ganze Galaxis dafür büßen müsse, indem sie mit ihren Haaren den Gheera-Planeten restlos bedecken müsse, wozu dieser auch noch in ein anderes Raumzeit-Kontinuum versetzt wurde. Die siegreiche Armee der Rebellen kann nun der grausamen Fron ein Ende machen, die letzten Kaisertruppen werden besiegt.

Autor: Eschenbach, Andreas, geb. 1959 in Ulm, Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik, Stipendiat der Arno-Schmidt-Stiftung; Die Haarteppichknüpfer, Erstveröffentlichung im Franz Schneekluth Verlag 1995, München. Th.Barth, 8/1995 Rezension Nr. 4 für Romanführer, Hamburg, August 1995

Der Schneekluth-Verlag, der vor allem Belletristik verlegte, bestand ab 1949 und war ab 1967 in München. 2003 wurde er von der Verlagsgruppe Droemer-Knaur übernommen.

08/8/16

Böse Sowjet-Fantastik

Arkadi und Boris Strugatskij, Die Last des Bösen, Frankf./M. 1991, Ullstein Verlag

Rezension von Thomas Barth

Die Handlung des Romans bewegt sich in vier ineinander verschachtelten Rahmenhandlungen. Ort: Taschlinsk, fiktive Provinzstadt in der Sowjetunion; Zeit: ca. 50 Jahre in der Zukunft; Art: utopische Groteske mit mystisch-esoterischen Elementen. Der Ich-Erzähler, dessen Identität als Igor Wsewolodowitsch Mytarin erst am Ende offenbart wird, schreibt ein Buch über seinen Mentor, den “Großen Lehrer” Georgij A. Nossow, genannt G.A. Dafür zitiert Igor umfangreich aus seinem 40 Jahre alten Tagebuch, in welchem er wiederum Zitate aus einem ominösen Manuskript “O3” darlegt, welches G.A. ihm damals gab. In diesem als phantastisch gekennzeichneten Manuskript wimmelt es von Rückblenden in biblische Zeiten, die auf die Vergangenheit von dort handelnden, anscheinend unsterblichen Personen, Ahasver Lukitschs und des Demiurg, verweisen.

Vor 40 Jahren war Igor fanatischer Jünger des G.A. und stand ihm im Kampf um eine alternative Jugendkolonie vor den Toren der Stadt, der “Flora”, bei. Die Flora-Jugend verweigert die Teilnahme an Arbeit und Konsum, praktiziert freie Liebe und Drogenrausch. Als nach einem Rockkonzert auch noch Autos und Fensterscheiben zertrümmert werden, blasen die Bürger von Taschlinsk zur Angriff. Nur G.A., erster Pädagoge am legendären Lyzeeum, einer Lehrerschule, tritt für die Flora ein. Ein blutiges Pogrom braut sich zusammen. Auch G.A. und seine Schüler geraten ins Kreuzfeuer, man demonstriert und fordert die Schließung der Eliteschule. Igor liest derweil im geheimnisvollen Manuskript O3, welches von einem Astronomen namens Manochin hinterlassen wurde. Manochin bekommt den Versicherungsvertreter Lukitsch als Zimmergenossen zugewiesen und erkennt bald, daß dieser mehr als nur Versicherungen verkauft. Aus seiner zuweilen feuerspeienden Aktentasche zieht er Verträge in linksläufiger Schrift in welchen seinen Kunden viel Geld und Lebenserfolg zugesichert wird, gegen die Überlassung ihrer “nicht-materiellen unkörperlichen Substanz”. Der bald auftauchende Chef von Lukitsch, der Demiurg, ist noch unheimlicher; dennoch macht Manochin ein Geschäft: Eine astrophysikalische Theorie von ihm wird plötzlich zur Wahrheit, er hingegen leistet dem Demiurgen Handlangerdienste. Rückblenden, deren Verbindung zu “O3” unklar bleibt, beschreiben Lukitschs und des Demiurgen Vergangenheit als Jünger des biblischen Jesus, bzw. Propheten; die Geschichte Jesu wird dahingehend erläutert, daß Judas -ein gutmütiger Schwachsinniger- auf Jesu Geheiß den Verrat beging, Johannes dagegen einen Fluch der Unsterblichkeit auf sich lud und zum Sammeln menschlicher Seelen überging, während der biblische Johannes in Wahrheit ein Jünger des Unsterblichen war und dessen Worte im gemeinsamen Exil auf Patmos literarisch ausschmückte. Lukitsch und der Demiurg scheinen ein unheimliches Experiment mit Manochin, vielleicht auch ganz Taschlinsk oder gar der ganzen Menschheit vorzubereiten, dessen Ziel möglicherweise die Beseitigung alles Bösen oder aber dessen Verwirklichung sein könnte. Auch G.A., dessen Sohn sich als Anführer der Flora entpuppt, scheint mit Luktisch ins Geschäft gekommen zu sein, wie dessen Auftauchen im Gesichtskreis des Ich-Erzählers Igor letztlich nahelegt. Die Flora zerstreut sich freiwillig, G.A. mußte anscheinend fliehen -doch hier bricht das Tagebuch ab. Th. Barth 8/1995

Arkadi Strugatskij, geb. 1925, Sowjetunion, und Boris Strugatskij, geb. 1933, Sowjetunion; Die Last des Bösen, (Otjagoschtschenije slom), Ullstein Verlag 1991. Ort: Taschlinsk, fiktive Provinzstadt in der Sowjetunion; Zeit: ca. 50 Jahre in der Zukunft; Rezension Nr. 5 für Romanführer, Hamburg, Oktober 1995, Thomas Barth